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Viele Konventionen und Tabus sind zum Brechen da. 5 Dinge, die wir von „Black Panther“ für rassismuskritische Projekte lernen können – Teil 1

    Blogartikel-Serie (5 Teile) mit konkreten Tipps zu diskriminierungssensibler Veranstaltungspraxis – Teil 1

    Manche Konventionen sind ganz nützlich, wie z.B. die, im Restaurant nicht laut zu pupsen. Die großen Cousins von Konventionen sind Tabus. Sie „untersagen“ uns bestimmte Impulse, bis sie selbst zum Impuls werden. Das soll das Leben für alle angenehmer machen. Das Problem: nicht alle Tabus und Konventionen dienen hehren Aufträgen, manche unterstützen in erster Linie die Unterdrückung bestimmter Gruppen.

    Konventionen und Tabus sind etwas anderes als explizite Verbote. Sie sind Teil von Tradition und als solches Kultur. Sie funktionieren auf Autopilot und internalisiert, d.h. sie übertragen sich unüberlegt und automatisch und erzeugen in uns Hemmungen, die nichts mit unseren eigentlichen Wünschen oder Impulsen zu tun haben und uns sogar dazu bringen können, uns selbst oder humanitäre Ziele zu vernachlässigen. Gängige derartige Konventionen sind z.B., Sexarbeiter_innen nicht zuzuhören und sie nicht ernst zu nehmen, die übertriebene Empfindlichkeit weißer Männer nicht zu problematisieren, den Wert von Frauen über ihre Körper zu definieren und den Wert Schwarzer Menschen über ihre Nützlichkeit.

    Viele gesellschaftliche Konventionen bemerken wir erst in dem Moment, in dem wir zum ersten Mal wahrnehmen, wie sie gebrochen werden.

    Dafür ist Film ein probates Mittel: Die Eröffnungsszene in der Serie „Empire“, in der die Party People auf der Luxusyacht alle Schwarz sind. Die teuren Ölgemälde von Kehinde Wiley, die Schwarze junge Männer in Hoodies zeigen. Die Schauspielerin Gabourey Sidibe, deren Rollen sich durchweg weigern hilflos, lustig oder dankbar zu sein, und die in einer erotischen Szene ganz selbstverständlich sexy ist (ja, das war wichtig, weil ihr Körpertyp bislang von der Filmindustrie nur gedemütigt, instrumentalisiert, ent-persönlicht wurde).

    Black Panther bricht mit reihenweise Tabus und Konventionen, die mit Frauenbildern, Afrikabildern, postkolonialer Gegenwart und Schwarzen Politiken zu tun haben, und ist der erfolgreichste Kinostart, den es je gab.
    Ist es der beste, gesellschaftspolitisch perfekteste Film aller Zeiten? Nein. Muss er auch nicht. Denn unser Thema ist:

    Was heißt das konsequente Brechen vieler unguter gesellschaftlicher Konventionen in diesem Film (Rollen, Drehbuch, Set-Design) für unsere kulturpolitische Arbeit in Deutschland, tausende Kilometer von Wakanda entfernt?

    – zunächst mal, dass es möglich ist, ungute Konventionen zu brechen. „Die hatten 3279 Milliarden Dollar Budget!“ ist nicht wirklich ein Argument dagegen, das ruhig auch mal mit der eigenen Arbeit zu versuchen. Mit dem Budget steigt bekanntlich der Druck und die Zahl der Wichtigen™, die sich einmischen und mitbestimmen wollen. Dass Black Panther mit Konventionen bricht, zur großen Freude Schwarzer Communities, lag ganz sicher nicht am hohen Budget. Ich wage mal zu schätzen, dass das Drehbuch und der Schnitt oft, lang und andauernd verteidigt werden mussten, um in der Form tatsächlich in den Kinos zu landen.

    – dass es sich lohnt, ungute Konventionen zu brechen. Viele Kinder und Erwachsene weinen vor reiner Freude und Erleichterung, wenn sie zum ersten Mal eine Repräsentation ihrer selbst sehen, die würdevoll ist. Kinder, denen machtvolle Repräsentationen ihrer selbst vorenthalten werden, werden um die Vision beraubt, als Erwachsene ganz und handlungsfähig zu sein. Black Panther weiß das, korrigiert es, trägt zu Linderung bei, inspiriert und zeigt ein paar Möglichkeiten auf. Das ist Machtvoll.

    – Konventionen verstecken sich gut. Bei vielen gilt: Erst wenn wir sie als Außenstehende, auf der Leinwand, gebrochen sehen, erkennen wir, wie verinnerlicht sie schon in uns selbst und in unserer Gesellschaft waren.

    Wir können uns also bei eigenen Projekten nicht auf den Autopiloten verlassen, sondern sollten uns ständig selbst überprüfen: ob wir Entscheidungen treffen auf der Basis von Traditionen und Konventionen „so macht man das halt“ bzw. „meine Intuition ist super“, oder ob wir den schwereren Weg gehen, jeden Schritt auf den Prüfstand zu stellen. Zuerst die eigenen Schritte. Klar ist das unbequem, aber zivilisatorischer Fortschritt und Freudentränen der Erleichterung entstehen nicht durch Selbstgefälligkeit und Schulterklopfen.

    Wenn wir selbst etwas veranstalten, haben wir mit dem Setzen der Programmpunkte, der Besetzung, oft sogar des Austragungsortes mehr Macht und Möglichkeiten, als uns meistens direkt bewusst ist: veranstalten wir in erster Linie „was zu dem Thema“, das dann hoffentlich die Leute interessiert? Oder haben wir den Mut, die eigene Vorgehensweise zu hinterfragen, damit ein Event entstehen kann, der als gesamtes Projekt korrektiv und inspirierend wirkt. Das sind zwei vollkommen verschiedene Dinge! Im Fall A) ist die Praxis traditionell, und das wird sich im Ergebnis zeigen, ob uns das bewusst ist, oder nicht. Im Fall B) können große Dinge passieren. Auch mit kleinem Budget.

    Jedes öffentliche Projekt (= Veranstaltung, die im Internet angekündigt oder beschrieben wird), hat außerdem Signalcharakter. Abgesehen vom Event selbst darf nicht unterschätzt werden, dass von jeder Veranstaltung auch Signalwirkung ausgeht: Gepflogenheiten werden bestärkt oder neue Wege aufgezeigt. Was morgen Tradition, Konvention ist, wird heute verhandelt – und zwar öffentlich, online und global.

    Im Fim Black Panther werden viele Traditionen, Tabus und Konventionen, die unter dem Radar laufen, gebrochen. An mehreren Stellen im Film habe ich mir gedacht „unglaublich, dass die das in der Form durchbekommen haben.“ Und ich bin sicher, dass damit der Weg für zukünftige Projekte geebnet wurde. Das inspiriert und macht Mut.

    Konkret?

    Wenn wir Tabus beim Veranstalten brechen wollen, können wir u.a.

    • uns verweigern, immer wieder die Ursuppe zu erklären, und stattdessen eine Plattform schaffen dafür, Fortschritte zu erdenken
    • uns selbst ganz klar positionieren anstatt schwer erkämpfte Erkenntnisse als Frage zu formulieren („ist Kunst politisch?“ – fail)
    • mit dem Titel die richtigen Leute provozieren anstatt die Belasteten, oder uns Provokation einfach ganz sparen
    • die Menschen, die am existenziellsten vom Thema betroffen sind, als primäre Zielgruppe wahrnehmen

    Die Liste könnte ich ewig fortsetzen. Habe ich auch. Von Wakanda bis Wanne-Eickel, weil ebenfalls online.

    Da ich noch keinen Kurs in bewaffnetem Widerstand anbiete, empfehle ich mein Onlineseminar „Erfolgreich rassismuskritisch veranstalten“ für alle, die es ernst damit meinen, kulturell oder kulturpolitisch zu veranstalten. Für gut gemacht statt gut gemeint:

    Seminar „Erfolgreich rassismuskritisch veranstalten“ :

    online, im eigenen Tempo, anonym,

    99% der Teilnehmenden würden es weiterempfehlen.

    Derzeit der einzige systematische Lern-Ort für die Grundlagen kuratorischer Verantwortung.

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