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Es ist kein transformatives Projekt, wenn es Nichtbinäre Personen nicht berücksichtigt.

    aka: „Wir machen was für Belastete, außer für die am meisten Belasteten“

    Die Ausschlüsse, die wir schaffen, betreffen oft genug uns als Agierende und Organisierende selber! Nur das ist vollzogene Unterdrückung: wenn die Benachteiligten sie eigenständig fortführen, indem sie ihre eigenen Interessen nicht kennenlernen und nicht zentrieren. … Die Automatismen, die die Planung auch ambitionierter Communityprojekte in der Regel durchziehen, bedienen wir oft selber, obwohl sie uns und die eigenen Leute sabotieren. Es sind koloniale Traditionen, die durch Angst funktionieren. Sie führen zu Auslassungen und zu Tabus, die das beschädigen, was wir uns eigentlich wünschen.

    Vorab: Viele und immer mehr Communityprojekte haben Ausschlüsse auf dem Schirm und sind gut dabei, mit diskriminierenden Praxen von gestern aufzuräumen. Ihnen meine Hochachtung. Dieser Artikel dreht sich um die anderen, leider zahlreichen, Projekte, die noch nicht so weit sind.

    Strukturelle Verletzungen die innerhalb von Communities ausgelöst werden, können tödlich sein. Wenn ich von der ganzen Welt gemobbt werde, vielleicht sogar meine eigenen Eltern mich rassistisch betrachten, ich dann endlich eine Gruppe finde, die viele meiner Erfahrungen teilt, und innerhalb der ich nicht per se als subhuman gelesen werde (wie ich denke)… aber dann von genau dieser Gruppe diskriminiert und ausgegrenzt werde – etwas schlimmeres und traumatisierenderes kann sich eins kaum vorstellen.

    „Strukturelle“ Verletzungen deshalb, weil es ein großer Unterschied ist, ob Leute sich nur einfach ignorieren /streiten, oder ob Ausgrenzung vorliegt entlang der üblichen Verteilung von Macht und Gewalt, also nach Gender, Herkunft, Orientierung, Behinderung, Klasse, Körperfarbe, Kaste usw. Zum Einen ist persönlich-vs.-strukturell ein Unterschied auf der Gewalt-Ebene, und zum anderen, und das wird seltener erwähnt, auch in denen, die diese Gewalt trifft. Wenn zu Hass und/oder Ausgrenzung das Wissen über einen jahrhundertelangen Konsens über diesen Hass /diese Ausgrenzung hinzu kommt, wenn Ausgrenzung nicht mich persönlich meint, sondern generell alle Leute, die sind wie ich, ist das schon noch mal was anderes. (Es ist ein landläufiges Missverständnis, dass Gewalt schlimmer sei, wenn sie ausschließlich persönlich gemeint ist.)

    Diskriminierung innerhalb von Communityprojekten

    Einer der Gründe, weswegen wir kaum über Diskriminierung innerhalb von Communityprojekten reden, ist, dass es peinlich und schmerzhaft ist. Und umstritten. Als Schwarze Menschen leben wir mit dem ständigen Bewusstsein,

    dass Millionen Leute nur darauf warten, uns scheitern zu sehen und jedes mögliche Einfallstor suchen, oder zur Not selbst schaffen, um unser Empowerment zu sabotieren. Und es ist auch durchaus wichtig, aus historischen Gründen, bestimmte Dinge innerhalb der Communities zu behalten, zu besprechen und zu regeln. Doch diese Dinge ändern sich, genau wie unsere Gruppen und die Gesellschaften, in denen wir uns bewegen. Der Konsens ändert sich, unsere Mittel ändern sich, unser Einfluss ändert sich, die Demografie ändert sich, sogar Rassismus verändert sich. Er findet zum Beispiel neue Vokabeln, sehr gerne auch schlau angeeignete: inzwischen kann noch nicht mal mehr bei Projekten, die sich ‚intersektional‘ nennen, davon ausgegangen werden, dass sie von und für BIDPoC* (= Black- IndigenX- Dalit – People of Color) erdacht sind. Rassismus fand neue Schlupflöcher in der Regierung, in der Straßenbahn, im Antidiskriminierungsbüro, im Radio und in der Schule. Es ist eine dauernde Neuverhandlung und ein dauernder Kampf. Ich denke, ich kann rechtfertigen, dass ich das Nachfolgende öffentlich behandle. Denn die nichtöffentliche Art ist nachweislich gescheitert.

    Innerhalb von Communities oder Projektgruppen, die selber diskriminiert werden, ist es nicht automatisch einfacher, die eigene Diskriminierungsausübung anzusprechen und zu bearbeiten. Es ist möglich, den eigenen Widerstand auf Autopilot zu fahren, und die Rolle als die Diskriminierenden für sich gar nicht erst in Erwägung zu ziehen. Es kommt nicht selten vor, dass Menschen, die Diskriminierung innerhalb von Community-Gruppen ansprechen, daraufhin genauso schwer seelisch misshandelt und kollektiv gemobbt werden, wie das in anderen Projekten auch der Fall ist. Zum Beispiel wird Trans*Personen, die Cissexismus ansprechen, mit Gaslighting begegnet: Da übertreibst du aber, ich hab das Buch XY gelesen und kenne mich daher aus, das ist gar nicht so, ich sehe mich doch selber nicht als ein gender, etc. [neverending Abwehr]. Oder -nonchalanter-: „Ja stimmt, das ist gaanz gaanz wichtig“ – Grillen zirpen – nichts passiert – keinerlei Veränderung – Thema zu den Akten.
    Im Prinzip genau die gleiche Performance, die wir von weißen Personen bekommen, wenn sie Rassismus im Team ansprechen, trifft mehrfachdiskriminierte Schwarze Personen, wenn sie im eigenen Team z.B. cissexistische Diskriminierung ansprechen.

    *Trans* und Inter* schreibe ich im Artikel aus politischen Gründen groß und mit Sternchen in den jeweiligen Schwarzen Tradionen, diese Bezeichnungen weder als Adjektive zu verstehen noch als monolitisch. Mir ist bewusst, dass es andere Ansätze gibt, und dass eine Schreibweise, die alle so bezeichneten Personen of Color akzeptieren, leider nicht existiert.

    Viele von uns wurden durch Rassismus stark verwundet. Realistisch gesehen wird der Umgang damit wohl nicht für jede betroffene Person zu jeder Zeit lauten „ach ja, lass uns direkt darüber reden, wie ich selber strukturell andere Leute verletze“. Nicht alle haben diese Kapazität und diesen Abstand. Im Laufe der Jahre lässt sich das aber entwickeln. Dafür braucht es Unterstützung. Mehr und mehr Menschen arbeiten derzeit daran, Räume zu schaffen, in denen sich Wunden gewidmet werden kann, Räume, Fachleute und Wege, um bei Heilung zu unterstützen. Das können Therapien aller Art sein, oder spirituelle Angebote, oder Gruppen, oder alles zusammen. Allerdings – wenn wir Unterdrückung untereinander nicht konsequent durchschauen und bekämpfen, werden eben genau diese Projekte und Räume für Genesungsarbeit Personen ausgrenzen, die am meisten belastet werden.

    Aktueller Anlass:

    – Ich bekam Info über ein Projekt für intergenerationelle Inklusion, Empowerment und Awareness, für Schwarze Menschen, IndigenX und PoC, das in möglichst geschützten Räumen stattfinden möchte. Es las sich ambitioniert, hatte aber bestimmte vielsagende Auslassungen. Ich schrieb der Orgagruppe, dass ich es wichtig fände, dass sie sich personell verstärken und in einen Dialog zum Lernen begäben, um die üblichen Verletzungen zu vermeiden, die Trans*, Inter* und Nichtbinäre* Personen in solchen Projekten in der Regel erfahren.

    *“Nichtbinär“ verwende ich im Artikel als Dachbegriff für Genderidentitäten außerhalb von Cisgender. Selbstverständlich können Trans* und Inter*Personen eins der binären gender „Mann“ oder „Frau“ haben! Ihre Erfahrungen übersteigen aber die cis-Version dieses genders.

    – Sie antworteten, dass sie gern lernen würden, und dass sie auch gern Vorschläge entgegen nähmen, wie sie es besser formulieren könnten.

    – Ich schrieb u.a., dass es mir nicht ums Formulieren ginge (weil sich darin halt nur ungewollt ausdrückt, was Sachlage ist) und dass der Ansatz nicht sein sollte „wie können wir besser formulieren„, sondern „wie können wir unsere eigene Gruppe diversifizieren und lernen, safer zu werden für Leute aller gender“.

    – Sie antworteten wiederum sehr freundlich, dass sie auch mit einem queerfeministischen Kollektiv zusammenarbeiten.

    Da merkte ich, dass es mir dabei um zwei grundsätzlichere Sachen geht, im Rahmen von Veranstalten und auch Communityarbeit, und um mehr, als in einen Dialog „unter uns“ passen würde. Zum Einen weil es nicht ganz gerecht wäre, das alles allein an der betreffenden Gruppe abzuspulen. Weil es etwas ist, was einer viel breiteren Debatte bedarf und eine grundsätzliche Sache ist, nämlich der Klassiker „Intergenerationelle Communityarbeit, ja gern – aber nicht in der Planungsphase“. Unter älteren Aktiven wird das öfter mal besprochen, aber bisher konnte ich es noch nicht in der Form irgendwo öffentlich deutlich (im deutschen Kontext) besprochen finden. So entstand ein Blogeintrag zum Thema Kontinuität (bzw Nichtkontinuität) in Communityarbeit, der nachfolgt.

    Das andere Thema ist dieser Artikel hier.

    Vollzogene Unterdrückung ist, wenn die Benachteiligten sie selber fortführen

    Die Ausschlüsse, die wir schaffen, betreffen oft genug uns als Agierende und Organisierende selber! Nur das ist vollzogene Unterdrückung: wenn die Benachteiligten sie eigenständig fortführen, indem sie ihre eigenen Interessen nicht kennenlernen und nicht zentrieren. Im Ergebnis definieren und werten Frauen Frauen über Körper und normiertes Erscheinungsbild, schaffen Migrantische Gruppen Orte, die für Refugees ungeeignet sind, und planen Nichtbinäre Leute Projekte, ohne die Sicherheit von Trans*- und Inter* Personen mitzudenken. Weil wir uns in entsprechender Tradition bewegen, von ihr umgeben aufgewachsen und geprägt sind, vom Elternhaus über Schule, Ausbildung, Entertainment, gesamtes Leben, you name it: dass es zu anstrengend sei, die traditionell Ausgegrenzten zu berücksichtigen. Dass das unser Projekt kaputt machen könnte. Zu angreifbar. Zu spartenmäßig. Unübersichtlich. Und die Zielgruppe zu klein (oh Ironie!).

    Die Formel ist dieselbe wie seit eh und je: je abweichender vom weißen cis-Mann ohne sichtbare Behinderungen, desto gewagter, radikaler, risikoreicher, desto mehr Hass und Gegenwind, und desto weniger Förderung.

    Die Automatismen, die die Planung auch ambitionierter Communityprojekte in der Regel durchziehen, bedienen wir oft selber, obwohl sie uns und die eigenen Leute sabotieren. Es sind koloniale Traditionen, die durch Angst funktionieren. Sie führen zu Auslassungen und zu Tabus, die das beschädigen, was wir uns eigentlich wünschen. Zum Beispiel führen sie dazu, dass wir Problematiken von Hierarchien, Karrieren und Meritokratie in und durch Communityarbeit nicht ansprechen. Oder dazu, dass wir das, was wir auf der einen Seite als Belastete andauernd erfahren und gut kennen, auf der anderen Seite, nämlich wenn wir die mitdenken müssten, die es schwerer haben, plötzlich nicht mehr als Ausschlussmechanismus erkennen. Dass also zum Beispiel „Treffen“, „Vernetzung“ und „Austausch“ nicht durch Zauberhand auf Augenhöhe und traumafrei vonstatten gehen, nur weil weiße Personen und Diacismänner abwesend sind.

    Wir müssen daher davon ausgehen, dass unsere Prägung uns genau diejenigen vernachlässigen lässt, die am meisten belastet werden.

    ‚Learning by doing‘ ist nicht unschuldig. Doing an wem? An Leuten, die maximal belastet sind, zu lernen wie man’s nicht macht, sollte vermieden werden.

    Zurück zum Thema: Ausgrenzung und Traumatisierung innerhalb der Communities.

    So viele Nichtbinäre Leute und besonders Trans*- und Inter* Personen, machen leider andauernd schlimme Erfahrungen mit Communityspaces, die es nicht schafften (oder gar nicht erst auf dem Schirm hatten), zu überlegen, was sie alltäglichem Cissexismus entgegensetzen wollen. Was die Leute im Ergebnis natürlich dann doppelt und dreifach traumatisiert. Wer darüber spricht, wird noch oft sanktioniert und ausgegrenzt. Wie aber bei jeder Ausgrenzung: darüber zu schweigen hilft den Belasteten nicht.

    queerfeministische Projekte

    Da es im Eingangs-Anlass entgegnet worden war: Das ist duchaus auch in queerfeministischen Projekten der Fall. Weder Queerness noch Feminismus noch Queerfeminismus hatten jemals per se zur Aufgabe, Cissexismus vorzubeugen oder etwas entgegenzusetzen. Traditionell sind sie weiße Befreiungstraditionen für [bestimmte] weiße Cis-Personen. Schwarze Trans*_Inter* sind so ziemlich die Letzten, die davon ursprünglich profitieren sollten. In der Zwischenzeit finden sich natürlich mehr und mehr aufgewecktere Gruppen und Projekte, aber die unterscheiden sich im Hinblick auf Qualifikation und Kenntnis von Safety für BIDPoC Trans*- Inter*Personen in keiner Weise von allen anderen Gruppen: manche sind darin sehr fortgeschritten und machen großartigste Arbeit, manche haben es auf dem Schirm und sind im Prozess, und manche sind offen reaktionär und sprechen sich aus für Diskriminierung und Ausschlüsse (z.B. die ganzen TERFS, die in unzähligen queerfeministischen Gruppen in der Tat noch als ‚berücksichtigenswerte Meinung‘ gelten und -ebenfalls aufgrund queerfeministischer Traditionen- oft sogar in Leitungspositionen sind).

    Das heißt nicht, dass ich gegen queerfeministische Kollektive sei. Es heißt nur: „Wir arbeiten mit einem queerfeministischen Kollektiv zusammen“ ist keine Antwort auf ‚es gibt hier Auslassungen, was den Schutz Nichtbinärer Leute angeht‘. ‚Queerfeministisch‘ sagt nicht, dass die sehr spezifischen Kämpfe von Trans*- , Inter*- und Nichtbinären BIDPoC verstanden würden oder dass die entsprechenden Ausschlussmechanismen angepackt würden. Es schließt es auch nicht aus, sondern es hat gar nichts miteinander zu tun. Vielleicht auf individueller Ebene, dann besteht aber die Gefahr, wenn es in dem Kontext angeführt wird, dass es als Feigenblatt genannt wird. Bekannt von der klassischen Aufführung ‚am-Thema-vorbei-FM‘, nur mit anderen Rollen: „Warum sind alle Leute in eurer Projektplanung weiß, wenn das Projekt für alle sein soll?“ Antwort: „Aber wir arbeiten mit dem Gastarbeiter-Beirat zusammen.“

    Rassismus, Alpha-Faktor-des-Grauens

    Kurzer eingeschobener Augenmerk: interessanterweise gestaltet es sich sehr oft so, dass Nichtbinäre Personen an den herkömmlichen (traditionell weißen) queeren Gruppen direkt zerschellen, also gar nicht etwa die Möglichkeit hätten, erstmal durchzuatmen im weißen queeren Projekt und dann von dort aus Rassismus anzusprechen. Das Umfeld zeigt sich dort oft als dermaßen unmittelbar feindselig, Rassismus sich quasi als so dominanter Alpha-Faktor-des-Grauens, dass ein Weg zu jedweder Form von Community auf Augenhöhe nur möglich ist/scheint über die Schwarzen Communities. Es ist also keine freie Entscheidung, sondern ein Entlanghangeln auf der Suche nach dem am wenigsten giftigen Pfad (mit der Hoffnung, es möge einer gefunden werden, der sich nicht in erster Linie durch die An- oder Abwesenheit von Gift auszeichnet, was für viele Nichtbinäre Leute ein lebenslanger Wunsch bleibt).

    So viel zum Community-Aspekt.

    Noch kurz zum Frauen-Aspekt:

    Es ist doch so:
    Alle haben inzwischen verstanden, warum Projekte wichtig sind, die Frauen fördern. Nicht für irgendwelche Organe oder Körperfunktionen oder fabulierten Persönlichkeitsmerkmale. Sondern schlicht und einfach, weil Frauen strukturell schwer benachteiligt werden: in der Arbeitswelt oft benachteiligt und übergangen werden, überproportional oft Opfer von Gewalt werden, traditionell im Medizin- und Rechtssystem diskriminiert werden, und und und.
    Was kan also noch die Rechtfertigung sein, Projekte nicht fokussiert für die Förderung für Trans*- und Inter*- und Nichtbinäre Personen auszurichten? Wer wird denn noch härter als Frauen strukturell benachteiligt und belastet, wird in der ganzen Arbeitswelt extrem marginalisiert, in viel extremerem Ausmaß Opfer von Gewalt, und im Medizin- und Rechtssystem so verletzt und benachteiligt wie Frauen vor hundert Jahren nicht?

    Gern können jetzt die aufschreien, die finden „aber das kann man doch nicht vergleichen“. Und gern entgegne ich: doch, doch, ganz gut sogar. Gender mit gender zu vergleichen, doch, das passt.
    Die Spaltung besteht nicht darin, die unterschiedlichen Erfahrungen und Behandlungen zu benennen, sondern in gesellschaftlicher Ungleichbehandlung. Stillschweigen erhält die Hierarchien aufrecht.

    Nur weil es Gewohnheit geworden ist, dass aus den dereinstigen Grabenkämpfen – und sie waren erbittert und wichtig und haben viel erreicht und noch lang nicht genug – inzwischen greifbare Erfolge erwuchsen, heißt das nicht, dass es nicht nötig wäre, sich bei einer Pause umzusehen und gegebenenfalls nachzujustieren.

    Ich denke, im Prinzip geht es bei der Unsolidarität vieler Frauenprojekte mit den Struggles von Trans* und Inter*Leuten auch um die Angst, die Anerkennung zu verlieren dafür, selbst schwer diskriminiert zu werden. Dass das Überlebte und erreichte irgendwie verringert würde. Dadurch, dass es jetzt um die schwereren Verletzungen anderer gehen soll, vielleicht auch noch die ohnehin knapp bemessenen Fragmente an Aufmerksamkeit oder Empathie und Sympathie zu verlieren. Wir müssen das doch aber bitte als Trick durchschauen, durch Ausgrenzung Diskriminierte in Konkurrenz zueinander zu setzen und Solidarität zu verhindern.

    Zuwendung zu den schwerer Benachteiligten macht meine Position niemals schwächer! Die einzige Basis, von der aus ich agieren kann, ist meine Beziehung zu mir selbst. Sie wird durch nichts so sehr geschwächt wie durch schlechtes Gewissen und diffuse Sumpfgebiete in meinem Gewissen, in die ich mich selber nicht hineingetraue.

    Es ist kein Pappenstiel, Unbequemheiten zu durchbrechen, aber die gute Nachricht ist, dass es möglich ist.

    Und keine Sorge, Erfahrungen durch Diskriminierung gehen niemals weg. Auch nicht ihre Dokumentation im übrigen. Es ist und bleibt nachgewiesen, dass Frauen™ diskriminiert wurden und werden. Wie sie in 100 Jahren gesehen werden, rückblickend auf unsere jetzige Zeit vielfältigerer und differenzierterer Ausdrucksweisen unserer verschiedenen Erfahrungen in der diasicmännerdominierten Gesellschaft, wird sich zeigen. Jedenfalls kann kein Konkurrenzkirmesversuch ungeschehen machen, dass Diskriminierung real war und ist.
    Ich kann meine Erfahrungen jetzt für Fortschritt nutzen und einsetzen. Ich kann mithelfen, Wunden zu heilen. Vielleicht auch meine eigenen. Kann Sumpfgebiete und die Verdrängung der schwereren Probleme anderer trockenlegen. Ich kann mir vergeben für Egoismus im Befreiungskampf. Ich kann mir vornehmen, zu üben, im Befreiungskampf zukünftig weniger egositisch zu sein, und hoffen, beantragen, beten, durchsagen und anfragen, dass ich auf Verständnis treffen möge von Leuten, die anerkennen, dass ich es aufrichtig meine, und mir vielleicht auf die Sprünge helfen.

    Sich selbst klar zu werden, wessen schwerere strukturelle Benachteiligung eins bislang ignoriert hat, macht nicht schwächer sondern stark. Es macht ehrlich und authentisch, weniger angreifbar, freier von Angst, und gibt uns die Chance, uns selbst und uns gegenseitig wahrhaftiger kennenzulernen. So ermöglicht es überhaupt erst Beziehungen, Gemeinsamkeit. Es ist ein Prozess, der sich lohnt. Der die Ressourcen auch nicht herzaubert dafür, es besser zu machen. Der dafür aber die Voraussetzung ist. Viele sind bereits mittendrin statt nur dabei. Alle anderen möchte ich hiermit ermutigen, vom Beckenrand zu springen.
    Ja, das Wasser ist kalt. Das ist gut für den Kreislauf.

     


    dazu passende Beiträge:

    Intergenerationeller Wiederaufführungen – Offener Brief an beginnende Community Activists

    Tipp zum Veranstalten: was Workshops nicht sind (z.B. automatisch ein „safer space“)

    Activist-Burnout ist real! Ein Rat (und flame) für Schwarze Aktive und Aktive of Color

    Überlegungen zum Veranstalten und Kuratieren für postkoloniale Projekte und Antidiskriminierungsarbeit