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In der Planung von Projekten bitte unbedingt beachten!

    Ich möchte eindringlich anregen, bitte in der Planungsphase von Projekten

    – gründlich zu recherchieren, wer etwas ähnliches in der Vergangenheit schon versucht hat
    – sich auf diese Leute zuzubewegen und zu versuchen, von ihren Erfahrungen was auch immer zu lernen
    – in Dialog zu treten mit erfahrenen intersektionalen Gruppen, um von ihnen zu lernen. Falls sie die Nerven dazu haben.
    – nicht Trans* und Inter* Personen in Projekten auszuschließen dadurch, sich nicht darum zu bemühen, es für sie halbwegs safe zu gestalten
    * Trans* und Inter* schreibe ich im Artikel aus politischen Gründen groß und mit Sternchen in den jeweiligen Schwarzen Tradionen, diese Bezeichnungen weder als Adjektive zu verstehen noch als monolitisch. Mir ist bewusst, dass es andere Ansätze gibt, und dass eine Schreibweise, die alle so bezeichneten Personen of Color akzeptieren, leider nicht existiert.
    – zu erkennen, dass ein safe(r) space nicht durch magischen Wunsch entsteht, sondern durch harte Arbeit und glasklar-loyale Solipolitiken
    – zu erkennen, dass „Austausch für alle“ in der Regel bedeutet, dass die härter Diskriminierten sich in ihrer Verwundbarkeit viel mehr exponieren müssen und es sehr wahrscheinlich ist, dass die weniger Diskriminierten auf Kosten der mehr Belasteten etwas dazu lernen. Und dass dem etwas entgegen gesetzt werden muss, um einen space transformativ zu machen.

     

    (Prophylaktischer Einschub, re: „Opfer-Olympiade“:)

    – solange es eine Täter-Olympiade gibt aus Rechtsradikalen, staatlich ausgerüsteten Untergrundmilizen und Mainstreamfaschos, kümmere eins sich bitte um diese.
    – so lange durch ‚Teile-und-Herrsche‘ Menschen aufgrund verschiedener Erscheinungsbilder durchaus verschieden schwer diskriminiert werden, ist es notwendig, das anzusprechen und zu behandeln mit dem Ziel natürlich, es zu überwinden. Wir können keine gewaltvolle Praxis dadurch beenden, dass wir wir sie ignorieren oder ätzend-reaktiv werden, wenn sie erwähnt wird.

     

    Disclaimerkonglomerat:

    – Alter ist nicht gleich Erfahrung. Viel erlebt zu haben, ist auch noch keine Erfahrung. Erfahrung ergibt sich erst daraus, das Erlebte analysiert zu haben und es nach reiflicher Zeit und Fermentierung gemeinsam mit anderen Erlebnissen in Schlussfolgerung/en münden zu lassen (und idealerweise in die Anwendung derselben auf den aktuellen Kurs). Das kann mit fortschreitender Zeit fluide sein. Es kann aber auch ganz unterbleiben. Dann erlebe ich vielleicht hundertmal eine ähnliche seltsame Situation, denke aber nie tiefgreifend darüber nach und bin dann zwar älter aber nicht im eigentlichen Sinn erfahrener.

    – Viele beginnende Activists sind vielen älteren voraus, aus Gründen. Nämlich dann, wenn sie auf etwas aufgebaut haben. Zum Beispiel Vokabular. Oder angelegte Pfade. Oder bereits gekämpfte Schlachten, oder erstrittene Plateaus. Manche jüngere Activists haben sogar ihre Nerven nicht durch jahrzehntelanges Geringe mit dem Hass gegen sie absolut zerfleddert und versehrt bekommen. Das hält fit und hat viel Potenzial für Perspektivvielfalt! Ich habe sehr viel von Activists gelernt, die jünger sind als ich. Dass mir möglich war, es anzuwenden, verdanke ich den Vielen, die vor mir aktiv waren, und auf deren Schultern ich stehe.

    – Ein Teil meiner Vehemenz kommt davon, dass ich mir wünsche, dass die Fehler, die ich im Aktivismus selbst gemacht habe, insbesondere was Ausschlüsse angeht, wenigstens dazu dienen können, dass sie nicht wiederholt werden. Fühlt euch also nicht angesprochen, wenn ihr eure Projekte besser macht, als sie hier beschrieben werden.

     

    Intergenerationelle Wiederaufführungen – Offener Brief an beginnende Community Activists

    Liebe beginnende Community-Aktive,

    Ihr mögt mir bitte verzeihen, dass sich hier drei Jahrzehnte täglich-grüßt-das-Murmeltier-Beobachtungen Luft machen. Und die Älteren mögen sich daran erinnern, dass wir ohne Mitgefühl und dauerhafte Unterstützung auch nichts dazugelernt hätten.

    Ein Ergebnis von Unterdrückung ist, dass wir keine Ressourcen haben, um Empowermentarbeit und Communityarbeit von BIDPoC (= Black- IndigenX – Dalit – People of Color) stabil und zukunftsfähig aufzustellen. Sich um Kontinuität zu kümmern, fällt dabei oft hinten runter, weil es schlicht nicht möglich war und/oder ist. Ressourcen meine ich dabei nicht nur was Geld angeht, sondern unbedingt auch nervlich, zeitlich und seelisch. Unzählige Aktive bezahlen ihren Einsatz mit ihrer Gesundheit, und je schwerer und multipler sie von gesellschaftlichem Hass und struktureller Vernachlässigung betroffen sind, desto höher ist das Risiko, dass sie nach einigen aktiven Jahren krank sind und nicht mehr in der Lage, Projekte fortzuführen, und extra traumatisiert davon, wie ihre eigenen Communities sie haben hängen lassen. Unendlich vielen Leuten ging und geht es so. Es ist, leider, sogar die Regel.

    Wir müssen es als Teil derselben Aufführung durchschauen, dass die nächste Generation vor lauter Tatendrang oft gar nicht besonders interessiert daran ist, sich in der Ideenphase von Projekten umzutun, was denn die Leute und Communities zuvor für Erfahrungen gemacht haben. Ich halte das für fatal. Das schreibe ich jetzt mal ganz grundsätzlich – nicht um spezifische Personen oder Teams zu gängeln, und weil diese Vorgehensweise (bzw Unterlassungsweise) auch leider nichts Spezifisches hat.

     

    Gut gemeint – nicht ganz so gut informiert

    Ich bekomme so gut wie jede Woche Mails von Leuten, die mir Community-Projekte vorstellen, die super gut gemeint sind, und an denen sofort 3-10 absolut schmerzhafte Ausschlüsse und Bauchschmerzfaktoren ins Auge fallen, die wirklich fast alle Personen, die nach 1980 irgendwas organisiert haben, schon kennen. An meinem geistigen Auge ziehen dann die vielen Veranstaltungen und Versuche vorbei, die sehr sehr ähnlich konzipiert waren und in Drama endeten, in Depression, und Schlimmerem: Community-Projekte, die ‚aus Versehen‘ Mehrfachdiskriminierte absolut zermürbten.

    Innovativ und knallig etwas noch nie dagewesen cooles auf die Beine stellen

    Ideen direkt umzusetzen, die neu und originell sind oder auch nicht, mit einer Mischung aus Tatendrang und High-Energy-Level, kann tatsächlich ein Weg sein, wirklich innovativ und knallig etwas noch nie dagewesen cooles auf die Beine zu stellen. Ohne anderer Menschen und Projekte Erfolge und Katastrophen zu studieren geht das aber höchstens auf dem Feld der experimentellen Acrylmalerei. Bei Projekten, die als Grundlage haben, dass Leute nicht erneut verletzt werden sollen – z.B. Möbeldesign oder Arbeit mit traumatisch Belasteten – ist es dagegen wichtig, die häufigsten Fails der Vergangenheit gut zu kennen (nicht: zu raten), und auch die präsentesten Hürden für die, die am schwersten belastet werden.

    Seit ca. 50* Jahren ist das Phänomen wohlbekannt, dass viele beginnende activists eine Anfangsphase haben, die sich durch starke Impulse auszeichnet, das Rad ohne bauliche Veränderung neu zu erfinden. Ich plädiere dafür, sich künftig vorher umzuhören, wer dabei wahrscheinlich unter die Räder kommt.

    *bzw. seit 150 Jahren, wenn man Fredrick Douglass‘ Frustration über sich ständig wiederholenden burnout Schwarzer Activists in der Kollaboration mit weißen „Progressiven“ mitzählt

    Oft läuft es so ab: Projekt konzipiert – direkt erstmal um die Finanzierung bemüht – enthusiastisch organisiert – unter großem Einsatz und Aufwand umgesetzt – Feedback durchwachsen – Stress seitens mehrfachmarginalisierter Personen oder Gruppen, die ausgegrenzt wurden – Endlose Diskussionen – Trauma der Ausgegrenzten – Stress im Orga-Team – große Zermürbung.

    Mit exakt dem gleichen Aufwand, nur einer besseren Reihenfolge, lässt sich etwas Bedachtes entwickeln, das die schmerzhaften Aufführungen der Vergangenheit nicht heute zwingend wiederholt. Zumal sie oft auch noch vorhersehbar sind.

    Fazit

    Es muss eigentlich eine Säule jedweder Communityarbeit sein, über Erfahrungen, Erfolge, Fehler und Verletzungen der Vergangenheit zu lernen, so nah wie möglich, nicht nur aus den USA (obwohl This Bridge Called My Back schon auch Grundvoraussetzung ist, aber eben nicht Alles). Das heißt ja nicht, dann alles genauso zu machen wie die Leute zuvor, oder einverstanden zu sein mit deren Schlussfolgerungen. Es kann sogar genau das Gegenteil bedeuten. Es heißt auch nicht, dass dann mehr Leute in das Projekt hineinreden würden. – Ich wurde manchmal nicht darum gebeten (oder um eine völlig andere Form der Mitwirkung) und versuche dann trotzdem reinzureden, das geht also mit und ohne gleichermaßen (-:

    Also, liebe blühende Blactivists in der High-Energy-Phase. Geht mal in der Planungsphase auf Gruppen und Leute zu, die womöglich eine Rädersammlung im Schuppen haben könnten. Traut euch. Wir beißen nicht*.

     

    * ok wir beißen manchmal, aber es ist zu deinem besten wie siehst du überhaupt aus trägt man das heute so das hat wohl mit diesem Avocadotoast zu tun damals haben wir Steine geworfen wenn uns was nicht gepasst hat GenX represent ja ich weiß dass wir keine Ahnung von Genderpolitiken hatten früher aber ich habe 1986 die oberbairische Crossdressingmeisterschaft gewonnen und inzwischen ist das auch was anderes du weißt was ich meine sei nicht so frech und verwechsel mich nicht nochmal mit einem Millennial sonst hole ich die Boomer_innen.

    *


     

    dazu passende Beiträge:

    Es ist kein transformatives Projekt, wenn es Nichtbinäre Personen nicht berücksichtigt. – aka: „Wir machen was für Belastete, außer für die am meisten Belasteten“

    Tipp zum Veranstalten: was Workshops nicht sind (z.B. automatisch ein „safer space“)

    Activist-Burnout ist real! Ein Rat (und flame) für Schwarze Aktive und Aktive of Color

    Überlegungen zum Veranstalten und Kuratieren für postkoloniale Projekte und Antidiskriminierungsarbeit