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Für mehr Kontinuität! Gegen vermeidbare Unterbrechungen in der Communityarbeit

    Wenn wir unsere eigenen bisherigen Kämpfe (= Kämpfe unserer eigenen Bewegung(en)) nicht studieren und sehr gut kennen, verschenken wir auf traurige Weise sehr viel Power. Das ist meine Überzeugung. Zu der bin ich nicht über Nacht gelangt, sondern dadurch, dass ich den Fehler früher selbst gemacht und später erst (mit Hilfe von Aktiven, denen ich dafür sehr dankbar bin) erkannt habe.

    Ich denke, dass eins der größten Probleme unserer Communities im Moment ist, dass sie dazu neigen, jeweils dieselben „Ursuppen“ von vorne zu beginnen, und dass sie in Bezugnahmepraktiken hegemoniale Ausblendungstraditionen mit übernehmen. Was auf persönlicher Ebene womöglich für Einzelne verkraftbar ist, aber für politische Arbeit doch stark nachteilig, bezogen auf Signalwirkung, ‚Gruppenmoral‘, Aufwand und auch Ausführung. Erklärbar ist ein gewisser Kontinuitäten-fail sicher zum Teil durch ein traditionelles Vereinzeltsein; ich bin aber stark dafür, dass vor allem junge Leute, die die Möglichkeiten dazu haben, einen gewissen selbstgewählten Vereinzelungshabitus ablegen und die Wissensarchive und Erfahrungen der vorangegangenen Aktiven zumindest insofern sich zur Beschäftigung nehmen, als dass sie informierte Entscheidungen auf der Basis von Kenntnis und Anerkennen und selbstverständlich auch Analyse von widerstandsgeschichtlichem Wissen treffen können.

    Das heißt nicht, dass irgendeine jemals eine bestehende Meinung oder politische Haltung einfach übernehmen sollte. Es heißt aber, dass ohne Wissen über Strategien (und deren Gründe und Wirkungen) und ohne Blick auf die anderen und vorherigen Aktivitäten und deren Ergebnisse das eigene Handeln sich schon fragen lassen muss, ob es primär durch den Wunsch zu Anschlussfähigkeit an die Zukunft, Seriosität, Gründlichkeit, Community und gute Resultate motiviert ist.

    Nicht zuletzt bindet eine reaktive Verstrickung in immer wiederkehrende Handlungsmuster, die gleichzeitig regelmäßig voneinander abgeschnitten werden, auch enorm viele unserer Ressourcen, die uns dann wiederum in anderen wichtigen Arbeitsfeldern und Lebensbereichen fehlen. Will sagen: Communityforschungen und -geschichte(n) nicht zu kennen, ist die Erfüllung rassistischer Wünsche einer Oppressionskultur, die unser Wissen als vernachlässigbar behandelt und unsere Bindungen, Bildungen und Anschlüsse verhindert. Und das finde ich in jedem einzelnen Fall sehr schade, vor allem an einem der neuralgischen Punkte: den jungen, bereiten, politisch interessierten (potenziell) Aktiven.

    Hier ein paar Fragen, die politisch aktive Gruppen, deren Wirkungsgrad von Diskontinuität bedroht ist, dringend zu besprechen haben:

    • Wie ist der Definierungswunsch des „Neuen“ ohne Studium des Bisherigen genau motiviert?
    • Wie kann Wissensvermittlung intern stabil eingerichtet werden?
    • Was passiert, wenn an Wissensvermittlung kein Interesse besteht?
    • Wie begegnen wir der Paarung von struktureller Macht und mangelnder Erfahrung (und Empathie) in unseren eigenen Kontexten?
    • Wie reagieren wir darauf, dass das, woran bisher Viele zerbrochen sind, heute ein Karriereweg sein kann – und die Fragen, die sich daraus bezüglich Aufrichtigkeit und Lauterkeit ergeben?

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    dazu passende Beiträge:

    – In der Planung von Projekten bitte unbedingt beachten!

    – Es ist kein transformatives Projekt, wenn es Nichtbinäre Personen nicht berücksichtigt. – aka: „Wir machen was für Belastete, außer für die am meisten Belasteten“

    Tipp zum Veranstalten: was Workshops nicht sind (z.B. automatisch ein „safer space“)

    Activist-Burnout ist real! Ein Rat (und flame) für Schwarze Aktive und Aktive of Color

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